Zum Gedenken an tausende Sinti und Roma, die durch das nationalsozialistische Regime in der Nacht vom 2. auf den 3. August 1944 in Auschwitz-Birkenau ermordet wurden, legte Bürgermeisterin Judith Roth-Jörg gemeinsam mit Nino Schneeberger vom Landesverband Bayern e.V. des Verbands Deutscher Sinti und Roma Kränze am Mahnmal auf dem Paradeplatz nieder.
Roth-Jörg erinnerte in ihrer Rede an die unfassbaren Gräueltaten und die Verantwortung, dass sich solches niemals wiederholen dürfe.
Sie hob hervor, dass Würzburg ebenfalls Teil dieser unheilvollen Geschichte war: „ Auch aus unserer Stadt wurden Menschen deportiert. Menschen, deren Namen wir größtenteils kennen, deren Schicksale wir nachzeichnen können, deren Leben in der Nacht vom 2. auf 3. August 1944 jäh beendet wurden. Mindestens 30 namentlich bekannte Würzburger Sinti und Roma wurden in die Vernichtungslager verschleppt. Die wenigsten von ihnen überlebten diese menschengemachte Hölle. Die allermeisten trugen die Familiennamen Bamberger, Franz oder Winterstein.“
Roth-Jörg ging auf das Schicksal einer Überlebenden von damals, die Würzburg besonders bewegt, ein: Theresia Winterstein. Sie brachte in der Nazi-Zeit Zwillinge zur Welt, von denen ein Mädchen nach mutmaßlichen Experimenten des Uni-Nervenklinik-Direktors Werner Heyde verstarb. Ihre Schwester Rita überlebte, litt aber Zeit ihres Lebens an den psychischen Folgen. Angehörige der Familie Winterstein starben in Auschwitz. Ihr Schicksal steht exemplarisch für das Leid, das unzähligen Sinti und Roma widerfuhr. Im Frühjahr 2023 benannte die Stadt Würzburg eine Straße im Frauenland nach Theresia Winterstein. „Die Theresia-Winterstein-Straße ist mehr als nur ein Straßenschild. Sie ist ein sichtbares Zeichen der Erinnerung, Anerkennung und Würdigung“, so Roth-Jörg.
Antiziganismus, die Feindlichkeit gegenüber Sinti und Roma, ist in Deutschland noch immer weit verbreitet. „Das ist unerträglich und eine Schande für unsere Gesellschaft“, machte Roth-Jörg deutlich. „Unsere Aufgabe als Stadtgesellschaft ist es, die Erinnerung an die Opfer wachzuhalten und gleichzeitig aktiv gegen jede Form von Diskriminierung und Menschenfeindlichkeit vorzugehen.“ Dies könne durch Bildung – Aufklärung der jungen Generation über die Geschichte des nationalsozialistischen Völkermords an den Sinti und Roma, der als Porajmos, das „Verschlingen“ bezeichnet wird, und Sensibilisierung für die Gefahren von Vorurteilen und Rassismus – geschehen ebenso wie durch Anerkennung der Sinti und Roma als integralen Bestandteil unserer Gesellschaft mit gleichen Chancen und Rechten wie alle anderen Bürgerinnen und Bürger und dem Schaffen von Orten des Gedenkens, wie diesem auf dem Paradeplatz.
„In tiefer Trauer und mit großem Respekt gedenken wir heute den ermordeten Sinti und Roma. Ihr Leid ist unsere Mahnung, ihre Erinnerung unsere Verpflichtung“, so die Bürgermeisterin.
Nino Schneeberger vom Landesverband Bayern e.V. des Verbands Deutscher Sinti und Roma mahnte in seiner Rede die Erinnerung an jede einzelne und jeden einzelnen von den Nationalsozialisten ermordeten Sinti und Roma an.
Peter Winterstein, der Neffe Theresia Wintersteins und Cousin Rita Wintersteins, konnte den Verbleib seiner Cousine erhellen, nach dem er häufig gefragt werde. Rita Winterstein lebe nach gesundheitlichen Problemen nun in den USA.
