Ausstellung im Landratsamt Kelheim
Im Jahr 2026 begehen wir den 65. Jahrestag des deutsch-türkischen Anwerbeabkommens von 1961. Die ersten türkischen Arbeitskräfte, die zunächst nur in begrenzter Zahl und eher vorübergehend erwartet wurden, trafen aus verschiedenen Städten der Türkei in Istanbul ein und wurden von dort aus mit dem Zug nach München gebracht. Von München aus erfolgte ihre Weiterleitung in die deutschen Fabriken und Betriebe, deren Einsatzorte bereits im Voraus festgelegt waren.
In einer Zeit, in der viele zuvor angeworbene Arbeitskräfte aus anderen Ländern die Herausforderungen in Deutschland nicht dauerhaft bewältigen konnten und in ihre Heimat zurückkehrten, stellten die türkischen Arbeiter für die deutsche Wirtschaft eine bedeutende Chance dar. Bis 1973 stieg ihre Zahl – gemeinsam mit ihren Familien – auf 1,28 Mio. Menschen. In der deutschen Politik, Wirtschaft und bei den Arbeitsämtern wuchs die Anerkennung für die große Arbeitsbereitschaft und Zuverlässigkeit der türkischen Beschäftigten über viele Jahre hinweg stetig.
Im Raum Kelheim kamen die ersten drei türkischen Arbeitskräfte mit dem Ziel, hier zu arbeiten. Zwei Monate später trafen weitere 14 Personen ein, die in einer örtlichen Textilfabrik tätig wurden. 1965 wuchs ihre Zahl im Landkreis Kelheim auf 178 Personen an, 1973 erreichte sie bereits 1.182. In den frühen Jahren gab es nur sehr wenige Familien und nahezu alle türkischen Arbeitskräfte waren in Fabriken, Werkstätten und kleinen Betrieben beschäftigt. Vor dem Hintergrund der großen menschlichen Verluste des Zweiten Weltkriegs wird die Bedeutung der türkischen Arbeitskräfte für das wirtschaftliche Leben noch deutlicher.
In den folgenden Jahrzehnten begannen die Kinder dieser ersten Generationen, Berufe zu erlernen und höhere Bildungswege einzuschlagen. Viele von ihnen erreichten deutlich bessere Arbeits- und Lebensbedingungen als ihre Eltern und fanden besonders in der Automobilindustrie Beschäftigung.
Die kulturelle und historische Ausgestaltung der 65-Jahr-Feier im Landratsamt Kelheim wurde vom IKG – Institut für Kultur-, Geschichts- und Integrationsstudien e.V. erarbeitet. Die Ausstellung präsentiert Fotografien zahlreicher Menschen – von der ersten bis zur vierten Generation. Zudem wurde ein Buch vorgestellt, das auf umfangreichen Feldforschungen und Interviews mit türkischstämmigen Bürgerinnen und Bürgern des Landkreises Kelheim basiert. Das Werk umfasst außerdem seltene historische Aufnahmen und beleuchtet das Leben der türkischen Gemeinschaft zwischen 1961 und 2026 in 20 thematischen Kapiteln.
„Die Beiträge der in Deutschland lebenden Türkeistämmigen für sowohl Deutschland als auch die Türkei geraten leider zunehmend in Vergessenheit. Dabei werden Integrationsleistungen aus einer kulturhistorischen Perspektive deutlich sichtbarer und nachvollziehbarer. In diesem Kontext verfolgen wir mit dem gemeinsamen Foto der vier Generationen das Ziel, die Position der türkischen Community im Land exemplarisch am Beispiel des Landkreises Kelheim zu analysieren.“
Dr. Latif Celik, Projektleiter
Die Ausstellung kann noch bis Ende November während der Öffnungszeiten des Landratsamtes Kelheim im 1. OG besucht werden. Wir laden hierzu alle interessierten Bürgerinnen und Bürger ein.
